„Granate restlos zerstört"
Ortstermin: Viertel nach vier ist ein lauter Knall zu hören, kurz darauf herrscht in der Einsatzleitstelle auf dem Gelände des ASV Heßheim reger Funkverkehr. „Entwarnung", ruft Ordnungsamtsleiter Klaus-Jürgen Deheck erleichtert in die Helferrunde aus Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten. Die Granate ist gesprengt. Nach viereinhalb Stunden können die Bewohner des Ortskerns zurück in ihre Häuser, der Autoverkehr rollt wieder an.
HESSHEIM. „Die Finderin kann jetzt zweimal im Jahr Geburtstag feiern", sagt Bernd Heuer vom Kampfmittelräumdienst in Worms nach getaner Arbeit. „Bei dem Objekt handelte es sich um eine deutsche Panzersprenggranate aus dem Zweiten Weltkrieg, wie sie beispielsweise von Flak- oder Panzergeschützen abgefeuert wurden. Der Zünder war noch voll funktionsfähig und hätte das Geschoss jederzeit auslösen können." Erleichtert steht er mit seinen Mitarbeitern um eine kleine Grube hinter dem Hof von Landwirtin Silvia Reich, in der die Granate kontrolliert gesprengt wurde. „Alles ist einwandfrei gelaufen, die Granate ist restlos zerstört", zeigt sich Heuer zufrieden.
Zu sehen sind von dem gefährlichen Fund nur noch rostige Metallteilchen in der Erde, bevor die Grube mit einem kleinen Bagger wieder zugeschüttet wird. Mit einem speziell für die Kampfmittelräumung angefertigten Roboter haben die Experten eine Stunde zuvor das fast 70-jährige Projektil vom Hof in der Hauptstraße über den rückwärtigen Ausgang auf das freie Feld gebracht und in die ausgehobene Grube gelegt. „Der Sprengsatz wird darüber gelegt, darf die Granate aber nicht berühren", erklärt Heuer die weitere Vorgehensweise. „Darauf kommt eine Kiesschicht, in der sich bei der Sprengung die Splitter fangen. Zusätzlich beschweren wir die Stelle mit Sandsäcken."
Dass Finderin Silvia Reich nichts passiert ist, als sie die Granate vom Feld mit nach Hause nahm, hält der Leiter des Kampfmittelräumteams für „großes Glück". „Man kann nie wissen, in welchem Zustand der Zünder einer Bombe oder Granate ist - bei der kleinsten Bewegung kann alles hochgehen." Er empiehlt, bei Bomben-, Granaten- oder Waffenfunden sofort den Kampfmittelräumdienst und die Verwaltung zu informieren. „Auf jeden Fall sollte man den gefährlichen Fund an Ort und Stelle liegen lassen und nicht berühren", verdeutlicht Heuer.
Obwohl es sich diesmal nur um eine etwa handtellergroße Panzersprenggranate gehandelt hat, und nicht etwa um eine Fliegerbombe, sei der Einsatz ein besonderer gewesen, unterstreicht Heuer. „Meistens sind wir damit beschäftigt, Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg zu entschärfen. Eine Sprengung kommt eher selten vor."
Silvia Reich ist die ganze Sache ziemlich peinlich. „Hätte ich gewusst, was da vor mir liegt, hätte ich einen großen Bogen darum gemacht", betont sie ausdrücklich. Doch das „verrostete Ding", das ihr bei der Feldarbeit auffiel, kam ihr keinesfalls gefährlich vor. „Wir finden immer mal wieder Eisenstücke auf dem Acker und räumen sie weg, damit sie beim Häckseln und Fräsen nicht hängen bleiben." Bestimmt 100.000-mal ist das Feld bearbeitet worden, gerade noch vor kurzem sei ihr Vater darüber gefahren. „Wir haben echt Glück gehabt, dass nie etwas passiert ist", sagt die Landwirtin. Besonders bewusst ist sie sich ihres eigenen Glücks. „Das ist echt nochmal gut gegangen", seufzt sie erleichtert.
Das „kleine verrostete Ding" hat ganz schön Aufregung in den Ort gebracht. Silvia Reichs Mann kam der Fund gleich komisch vor und dehalb hat er sofort den Kampfmittelräumdienst verständigt. „Ich traue mich kaum auf die Straße, so unangenehm ist mir das alles", bedauert Reich. „Aber es war ja wirklich nur ein Granatenteil, eine ganze Handgranate hätte ich vielleicht noch als solche erkannt." Und in der Tat, Reichs Fund war schon ein ganz spezieller.
Erleichtert zeigt sich am Ende auch Verbandsbürgermeister Klaus Schütz, der am Vortag über den besonderen Fund informiert worden war. „Nicht auszudenken, was alles hätte passieren können. Aber zum Glück ist alles glimpflich verlaufen", sagt Schütz.
Dass das Team vom Kampfmittelräumdienst ungestört und für die Bevölkerung gefahrlos arbeiten kann, dafür sorgt an diesem Nachmittag ein Heer aus 120 Einsatzkräften, darunter Vertreter von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten. „Schon am Vorabend sind wir von Haus zu Haus gegangen und haben die Bewohner im Ortskern über die bevorstehende Sprengung und die damit verbundene Evakuierung informiert", erläutert Heßheims Feuerwehrleiter Reiner Geiger in der provisorischen Einsatzleitstelle auf dem ASV-Gelände. An mehreren Tafeln werden Funksprüche protokolliert und die Bewegungen der unterschiedlichen Einsatzkräfte festgehalten. Gegen 13 Uhr hat die Polizei den Heßheimer Ortskern abgeriegelt, über die Straßen gespannte Kunststoffbänder hindern Passanten daran, sich der Gefahrenstelle weniger als 300 Meter zu nähern.
Nur etwa 15 Bewohner finden sich nach und nach auf dem Gelände des ASV ein. Sie werden sorgfältig von den Helfern des Roten Kreuzes und der Johanniter-Unfall-Hilfe registriert und mit Wasser, Kaffee und belegten Brötchen versorgt. „Bei dem schönen Wetter sind die meisten wohl aufs Land gefahren oder in die Stadt zum Einkaufen", vermutet Reiner Geiger. „Wir sind dennoch sehr gut vorbereitet."
„Der ganze Aufwand wegen so einer kleinen Granate", murrt eine Dame, die gerade auf einer Bierbank unter der Pergola Platz nimmt. „Hoffentlich dauert das Ganze nicht so lange." Ein älterer Herr am Nachbartisch nimmt es dagegen gelassen: „Sicherheit geht vor, da nehme ich die kleine Strapaze gerne in Kauf. Als junger Mann habe ich im Krieg erlebt, wie gefährlich die Dinger sind."
Als gegen 16.15 Uhr die Sprengung laut und deutlich zu hören ist, macht sich Erleichterung breit. „Niemandem ist etwas passiert, wir können die Sperrungen gleich aufheben", verkündet Ordnungsamtsleiter Klaus-Jürgen Deheck. Nach viereinhalb Stunden kann der Autoverkehr wieder fließen, die Bewohner kehren langsam wieder in ihre Häuser zurück. (gnk/btw)
WILLEKB
Quelle: Verlag: DIE RHEINPFALZ, Publikation: Frankenthaler Zeitung, Ausgabe: Nr.144, Datum: Freitag, den 25. Juni 2010, Seite: Nr.17, "Deep-Link"-Referenznummer: '6520661', Präsentiert durch DIE RHEINPFALZ Web:digiPaper